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Abwärmenutzung im Fokus: Was ERF und Energieeffizienzgesetz für Rechenzentren und Cloud-Infrastrukturen bedeuten

Geschrieben von Anne Weisemann

Die deutsche Wärmeversorgung stützt sich aktuell noch überwiegend auf fossile Energieträger; 2024 deckten erneuerbare Energien lediglich 18 % des Wärmebedarfs [1]. Um Klimaneutralität im Wärmesektor zu erreichen, gewinnt Industrieabwärme als ergänzende Ressource zunehmend an Bedeutung. Rechenzentren sind dabei besonders relevant, da sie zu den am stärksten wachsenden Branchen zählen. Deshalb schreibt das 2023 verabschiedete Energieeffizienzgesetz für Rechenzentrumsneubauten mittels des Energy Reuse Factors (ERF) eine verpflichtende Abwärmenutzung vor. Eine Prognose des Borderstep Instituts im Auftrag des BMWK schätzt die nutzbare Abwärmemenge im Jahr 2030 auf 1 TWh/a und 2045 auf 10 TWh/a. Abbildung 1 setzt diesen Wert mit dem prognostizierten Fernwärmeabsatz ins Verhältnis.

Abbildung 1: Pot. Beitrag von Rechenzentrumsabwärme am Beispiel des prognostizierten Fernwärmeabsatz bis 2045 (DTL.)

Datenquellen: „Hauptbericht 2023“, AGWF, 12/2024 [2] und „Stand und Entwicklung des Rechenzentrumsstandorts Deutschland“, BMWK, 01/2025 [3].

In diesem Artikel erläutern wir das Konzept des Energy Reuse Factors und zeigen auf, welche Vorgaben das Energieeffizienzgesetz dazu macht. Außerdem beleuchten wir die Auswirkungen auf Rechenzentren und On-Premises-Cloud-Infrastrukturen sowie die wichtigsten Faktoren, die die Machbarkeit der Abwärmenutzung beeinflussen.

Was bedeutet ERF? – die Definition laut Norm

ERF steht für „Energy Reuse Factor“ oder – auf deutsch – Leistungskennzahl der Wiederverwendung von Energie. Er wird in der DIN EN 50600 4-6 / ISO 30134-6 definiert.

Er ist der Quotient aus der wiederverwendeten Wärmeenergie und dem Gesamtenergiebedarf eines Rechenzentrums jeweils bezogen auf ein Jahr. Das Rechenzentrum bezieht elektrische Energie und wandelt diese durch Rechenprozesse und Verluste in thermische Energie um. Folglich liegt die wiederverwendbare Energie als Wärme vor.

Der Wertebereich des ERF liegt zwischen 0 und 1.  Ein ERF von 1 bedeutet, dass 100 % des Gesamtenergiebedarfs im Jahresdurchschnitt wiederverwendet wird, z. B. als Abwärme in einem Wärmenetz.

Damit Energie laut Norm als wiederverwendete Energie zählt, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:

  • Die Energie muss außerhalb des Rechenzentrums wieder verwendet werden. Nutzung innerhalb des Rechenzentrums kommt durch eine Verbesserung der PUE (Power Usage Effectiveness) nur der Energieeffizienz des Rechenzentrums zugute, da man z. B. Heizenergie spart.
  • Die Energie muss dazu verwendet werden, eine andere Energiequelle vollständig oder teilweise zu ersetzen.

Was schreibt das Energieeffienzgesetz (EnEfG) bezüglich des ERF vor?

Im am 21.09.2023 beschlossenen Energieeffizienzgesetz werden ERF-Minimalwerte für Rechenzentrumsneubauten eingeführt. Bestandsrechenzentren bleiben davon unberührt. Die Minimalwerte steigen stufenweise von 10 % (07/2026) auf 15 % (07/2027) und schlussendlich auf 20 % (07/2028).

Dabei ist zu beachten, dass als Rechenzentren im Sinne des EnEfG nur Rechenzentren mit einer Nennanschlussleistung von mindestens 300 kW gelten. Das befreit kleinere OnPremise-Infrastrukturen und Edge-Rechenzentren oft von der Abwärmenutzungspflicht. Eine Abwärmenutzung kann in diesen Fällen dennoch sinnvoll sein: Vor allem bei nahe gelegenen Wärmesenken ist die Auskopplung von Abwärme teilweise unkomplizierter als angenommen.

Welche Ausnahmen gibt es für die ERF-Vorgaben im Energieeffienzgesetz (EnEfG)?

Unter folgenden Voraussetzungen werden Betreiber von der Erfüllung des Mindestwertes befreit:

  • Nachträgliche Ereignisse ohne Verschulden des Betreibers
  • Konkrete Aussicht, dass ein noch zu bauendes Wärmenetz in spätestens 10 Jahren die Wärme abnimmt
  • Nichtabnahme durch den Wärmenetzbetreiber trotz Erfüllung aller Voraussetzungen für die Auskopplung

Technische Machbarkeit von Abwärmenutzung

Wie einfach Abwärmenutzung im Rechenzentrum ist, hängt neben dem räumlichen Aufbau primär von der Art des Kühlsystems ab.

In Rechenzentrumsneubauten wird aus Energieeffizienzgründen eins von drei Kühlsystemen empfohlen:

1) Luftkühlung: Bei der direkten Luftkühlung wird Frischluft angesaugt, gefiltert und über die Server geleitet. Beim indirekten Austausch mit der Umgebungsluft zirkuliert die Luft innerhalb des Rechenzentrums und gibt über einen Wärmeübertrager seine Energie an die Umgebungsluft (oder eine andere Wärmesenke) ab.

2) Indirekte Flüssigkeitskühlung: Bei diesem Konzept gibt es im Rechenzentrum einen Kreis mit einer Kühlflüssigkeit, der die Luft im Serverraum über Wärmeübertrager kühlt.

3) Direkte Flüssigkeitskühlung: Hier wird eine Kühlflüssigkeit direkt über den Großteil der wärmeerzeugenden Komponenten im Server (z.B. CPU) geleitet.

Das typische Temperaturniveau der Abwärme abhängig von der Kühlmethode ist in Abbildung 2 dargestellt.

Abbildung 2: Abhängigkeit des Temperaturniveaus der Abwärme vom Kühlkonzept

In Fall 1 wird die Wärme aus dem Luftstrom ausgekoppelt, um sie nutzbar zu machen. Luft/Wasser-Wärmeübertrager haben oft einen großen Platzbedarf, deswegen ist ein nachträglicher Einbau oft schwierig.

In Fall 2 kann man sich aussuchen, ob man die Wärme bereits aus der Luft auskoppeln möchte (siehe Fall 1) oder man die Wärme dem bestehenden Kaltwassernetz entzieht. In dem Fall ist das Temperaturniveau der Abwärme vergleichsweise niedrig und muss häufig durch eine Wärmepumpe angehoben werden. Der Wasser/Wasser-Wärmeübertrager ist jedoch deutlich kompakter und günstiger.

Fall 3 ist aus Sicht der Abwärmenutzung am besten: Die Abwärme kann aus einem Flüssigkeitskühlkreis entzogen werden, d.h. der Wärmeübertrager ist kompakt. Zudem befindet sich die Abwärme in der Regel auf einem hohen Temperaturniveau von 40 – 60 °C. Je nach Wärmesenke ist entweder keine Wärmepumpe notwendig oder sie läuft in einem günstigeren Betriebspunkt.

Auswahl der Wärmesenke

Als Wärmesenke stehen je nach Temperaturniveau und Abwärmemenge verschiedene Optionen zur Verfügung (siehe Abbildung 3).

Abbildung 3: Auswahl möglicher Abwärmenutzungsszenarien

Ob ein konkretes Abwärmenutzungsprojekt für alle Projektteilnehmer umsetzbar ist, hängt von vielen Faktoren ab, die individuell betrachtet werden müssen. Neben Temperaturniveau und Leistung ist z. B. die Saisonalität der Wärmesenke entscheidend. Wenn die Wärme primär zu Heizzwecken eingesetzt werden soll, ist der Bedarf im Sommer viel geringer. Das macht es schwerer, im Jahresmittel den ERF zu maximieren. Nichtsdestotrotz ist die Abwärmenutzung zu Heizzwecken eines der Hauptanwendungsgebiete. Grundsätzlich sollten bei der Standortwahl des Rechenzentrums potenzielle Wärmesenken evaluiert werden.

Vertragliche und rechtliche Randbedingungen

Neben technischen und wirtschaftlichen Aspekten sind auch oft die Vertragsgestaltungen zwischen dem Rechenzentrumsbetreiber und dem potenziellen Wärmeabnehmer ein Unsicherheitsfaktor. Zwar unterscheiden sich die Ausgangslagen i.d.R. sehr projektspezifisch, dennoch lassen sich einige allgemeine Empfehlungen formulieren:

  1. Je eher man ins Gespräch kommt, desto besser: Kommunen erarbeiten aktuell ihre kommunalen Wärmepläne, Neubauquartiere suchen nach wirtschaftlichen und verlässlichen Wärmequellen zur Erfüllung gesetzlicher Vorgaben und Energieversorger planen die Dekarbonisierung ihrer Wärmenetze. Unter diesen Rahmenbedingungen ist eine frühzeitige Klärung von Verantwortlichkeiten entscheidend für einen reibungslosen Projektverlauf.
  2. Eine Wärmepreisgestaltung sollte sich an den Gestehungskosten orientieren. Eine unentgeltliche Abgabe von Abwärme kann derzeit zu umsatzsteuerrechtlichen Herausforderungen führen [4].
  3. Unterstützung bieten verschiedene Landesenergieagenturen, die mit Musterverträgen oder Praxisbeispielen helfen können. Besonders in Hessen und Baden-Württemberg liegen aufgrund realisierter Vorhaben bereits umfangreiche Erfahrungen vor.

Ausblick

Als Unternehmen mit langjähriger Erfahrung in der Abwärmenutzung von Rechenzentren – dieser Aspekt ist seit unserer Gründung fest in unserem Geschäftsmodell verankert – kennen wir die vielfältigen Herausforderungen, die eine erfolgreiche Umsetzung mit sich bringt. Neben den oben genannten Punkten gilt es, zahlreiche weitere Facetten zu berücksichtigen, darunter etwa:

  • Wie gestaltet sich das Lastprofil des Rechenzentrums?
  • Unter welchen Bedingungen wird ein Projekt wirtschaftlich?

Um diese und weitere Fragen zu beleuchten, bieten wir regelmäßig ein zweistündiges Webinar unter dem Titel Grüne Abwärme aus Rechenzentren an. Interessierte können sich gerne zu einem der verfügbaren Termine anmelden oder direkt mit uns in den Austausch treten.

Weitere Literatur

Das Open Compute Project beschätigt sich im Workstream Heat Reuse ebenfalls mit dem Thema Abwärmenutzung. Dort gibt es mehrere kollaborativ erarbeitete Dokumente zur freien Verfügung, unter anderem ein 2025 veröffentlichtes Whitepaper zum Thema Referenzdesigns für Abwärmenutzung auf Englisch [5].

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